Die Wahl in Thüringen hat es erneut gezeigt: Die AfD erreicht weiter mehr und mehr Wähler. An der Spitze in Thüringen ein Politiker, der sogar laut Gerichtsurteil als “Faschist” bezeichnet werden darf (2 E 1194/19 Me). Faschismus, eine politische Ideologie, die gegen die Demokratie und für ein diktatorisches Regierungssystem ist.
Ebenso sieht man mehr und mehr Wähler, die sich in Richtung Sozialismus bewegen – in welcher Ausprägung auch immer. Überrascht uns das wirklich noch?
Die nur wenige Tage vor der Thüringer Wahl erschienene Studie “Die andere Teilung” fasst den Trend zusammen und sagte damit klar voraus, was sich letztendlich bewahrheitete. 52% der Deutschen sind unzufrieden mit der Demokratie (Die andere deutsche Teilung. Zustand und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. 10/2019, S.8), 76% finden, dass die Politik sich nicht um die wichtigen Probleme kümmert (S. 20) und im Schnitt 56% wünschen sich starke Führungspersönlichkeiten (S. 76).
Wird die AfD aus Protest gewählt?
Die Ergebnisse der Umfrage lassen fast nur noch eine Schlussfolgerung zu: Die AfD wird nicht aus Protest gewählt. Sie wird aus Wut über das System und aus dem Wunsch nach einer starken Führung gewählt. Umfragen stützen diese Annahme.
Für alle, die ständig erzählen, die Leute würden die AfD wählen, weil sie mit den anderen Parteien unzufrieden sind. Nein, sie wählen die AfD aus politischer Überzeugung! Sie wählen die AfD wegen ihrer antidemokratischen Agenda. pic.twitter.com/GfmknD6tAR
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) October 27, 2019
Und die Wähler sind bereit dies auf Kosten der Freiheit zu machen und sich dem Urteil einer Führungspersönlichkeit unter zu ordnen. Klingt gruselig? Weckt Erinnerungen?
Es ist ein alarmierendes Zeichen, dass wir “5 vor 12” haben – und die Politik sich ändern muss, wollen wir weiter in einer Demokratie leben.
Wie geht man mit AfD Wählern um?
Das ist nun die Frage, die im Raum steht. Die Diakonie und auch die Union wollen AfD-Wählern zuhören, verstehen und mit ihnen diskutieren. David Hugendick von ZEIT ONLINE hingegen sieht im Zuhören (bei AfD-Wählern) eine “Selbstbezichtigungsbereitschaft einer liberalen Demokratie” die nicht entschieden gegen “Rassisten, Menschenfeinde[n] und deren Duldungsbereite[n]” vorgeht. Mit anderen Worten: Wir sollen aufhören zu zu hören und gegen die Rassisten vorgehen.
Ich persönlich sage dazu ein klares: Jein!
Beide Standpunkte erfassen nicht das Gesamtbild. Zuhören und diskutieren ist keine aktive Problemlösung und nicht ausreichend. Nicht mehr zuhören und in Aktivismus verfallen missachtet hingegen das Problem. Fehlt es in der deutschen Politikdiskussion wirklich so sehr an Empathie, dass die Seiten dermaßen an einander vorbeireden?
Wenn Umfragen klar zeigen, dass unsere Gesellschaft zusammenhalten möchte, den Glauben daran aber verloren hat, wenn der Glaube in die Politik der Demokratie verloren geht (s. oben und Mitte-Studie, Unterpunkt “Rechtspopulistische Einstellungen verfestigen sich“) – dann ist nicht die Frage, ob wir zuhören. Dann ist die Frage, was geändert werden muss, damit der Glaube an die Demokratie zurückkehrt.
Und damit man weiß, was geändert werden muss, muss man zuhören – auch AfD-Wählern. Und dann die Ärmel hochkrempeln und Lösungen finden. Schnell. Wer nur zuhört, aber nicht handelt, der verliert Vertrauen. Wer sich abwendet und Problemen kein Gehör schenkt, der bereitet den Weg für die Lauten, die Populistischen, die Extremen.
Schwarz und Weiß
Es ist außer Frage, dass antidemokratische, rassistische und menschenfeindliche Aussagen keine handbreit Platz haben dürfen in einer gerechten Gesellschaft. Dafür müssen wir einstehen. Gerade hinter extremen Ansichten stehen aber oft Unsicherheit und der Wunsch nach Stabilität. Diese Menschen aus dem Dialog aus zu schließen, bekräftigt sie in ihren Ansichten und Befürchtungen. Ihnen zu zu hören und nach Lösungen suchen bedeutet aber auch nicht, dass man jeden Wunsch von den Lippen ablesen und erfüllen muss. Dafür ist Demokratie immer Kompromiss. Dafür ist es immer richtig sich gegen Rassismus und Hass einzusetzen. Es ist also nicht Schwarz oder Weiß. Empathie ist gefragt und Problemlösungsfähigkeiten. Wir brauchen Politiker, die zuhören, daraus Ziele ableiten und Strategien entwickeln, um diese Ziele zu erreichen. Und das in einem höheren Tempo, als bislang die Politik agiert – denn auch die muss endlich in der Geschwindigkeit des 21. Jahrhunderts ankommen, wenn sie weiter glaubhaft handlungsfähig bleiben möchte.
Bildnachweis
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