Na, wer von euch kann sich aus der Schulzeit noch daran erinnern, wie in Deutschland die Politik organisiert ist? Klingelt es noch bei “Ortsebene”, “Bundesebene” und “Landesebene”? Ich muss gestehen: selbst wenn man die großen Schritte kennt, muss das nicht zwangsläufig heißen, dass man im Kleinen versteht wie alles funktioniert. Denn: Es ist kompliziert. Wahnsinnig kompliziert.
Da hilft auch nur bedingt, dass ich zur Begrüßung ein Cheat Sheet bekommen haben, auf dem man die Verknüpfungen sehen kann. Wichtig für jeden Einsteiger ist: Der Ortsverband ist die erste und wichtigste Anlaufstelle.
Lokalpolitik: Was ist der Ortsverband?
Klar, nur weil man in eine Partei eintritt, kann man nicht direkt im Bundestag alles auf den Kopf stellen. Man fängt im Ortsverband* an – dem Teil der politischen Organisation, der sich nach dem eigenen Wohnort richtet. Dort wird man für gewöhnlich erst einmal zugeteilt – was praktisch ist, weil dann Treffen automatisch in der eigenen Nähe stattfinden. Normalerweise kann man den Ortsverband/Ortsverein (Kurz: OV) auch einfach innerhalb der eigenen Stadt wechseln, aber damit verbunden ist natürlich immer etwas organisatorischer Aufwand.
*Ergänzende Anmerkung: Ich erwähnte, dass es kompliziert ist? In kleineren Städten gibt es nicht immer Ortsverbände/Ortsvereine. Dort kann auch der Gebietsverband oder Kreisverband die erste Einstiegsebene sein. In kreisfreien Städten gibt es außerdem Stadtbezirksverbände.
Der OV organisiert ca. ein mal im Monat ein Treffen für alle Mitglieder. Das findet meistens unter der Woche abends statt, manche OVs bieten aber auch für alle, die lange arbeiten, Ausweichtermine am Wochenende an. Schon der Ortsverband ist in einer Struktur organisiert und wird vom Ortsvorsitzenden geleitet. Es ist ein wenig witzig als Außenstehender zu sehen, wie genau sich an die Regeln gehalten wird: es gibt den einen oder anderen Orstvorsitzenden, der jedes Treffen mit der feierlichen Verlesung der Tagesordnung beginnt.

Das erste mal beim OV
Da kann man sich gut vorstellen, dass es als Neueinsteiger nicht so einfach ist, sich dort zu integrieren, oder? Ist zum Glück nicht so. Ich war bereits in zwei OVs und wurde in jedem sehr nett aufgenommen und bin mit fast allen direkt ins Gespräch gekommen. Die Treffen finden bei uns immer in kleinen Cafés oder Restaurants statt, sodass man dabei auch in Ruhe etwas essen kann. Man muss auch keine Angst haben “blöde” Fragen zu stellen. Sogar Mitglieder, die schon länger dabei sind, blicken im politischen Bürokratiedschungel nicht immer durch und fragen, was das jetzt für ein Antrag ist, der da besprochen wird und wer eigentlich für welche Wahlen zuständig ist. Denn auch innerhalb der Partei finden unzählige Wahlen statt. Eine Stilblüte der letzten Zeit: Es wurde aufgerufen zur “Wahl der Delegierten und Ersatzdelegierter zur Wahlversammlung für die Wahl der Reserveliste zur Landschaftsversammlung Rheinland aus unserem OV” ausgerufen. Ich habe mich mal aufstellen lassen, obwohl ich bis heute keine Ahnung habe, für wen ich nun der Ersatz des Ersatzes der Reserve einer Cousine dritten Grades des Nachbarn bin.
So ist das am Anfang. Wichtig ist: Man traut sich einfach, mit zu machen. Auch mal was zu sagen, obwohl man keine Ahnung hat. So richtig dumm kann man sich nicht anstellen. Zumindest auch nicht mehr als ich, die bei ihrem ersten Treffen vor versammelter Mannschaft gefragt wurde, was sie von der kommenden Wahl hält (gemeint waren Brandenburg und Sachsen 2019) und antwortete: “Was für eine Wahl?”.
Was habt ihr für Fragen zum Ortsverband? Schreibt mir gerne in die Kommentare oder per Mail. Folgen könnt ihr mir auch auf Twitter: https://twitter.com/SarahPritzel
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FAQs zum Ortsverband
Was zieht man zu einem Treffen an?
Come as you are ist das Motto. :) Manche Mitglieder sitzen in Anzug da, andere in Hoodie und Jeans. Es wurde noch nie jemand schief angeschaut. Aber es gilt natürlich: du entscheidest selber, wie du wahrgenommen werden willst und in welchen Klamotten du dich wohl fühlst.
Wie oft sind Treffen im Ortsverband?
Das hängt vom OV ab. Bei uns ist es ca. ein mal im Monat, kann aber auch häufiger vorkommen. Besonders, wenn eine Wahl naht, werden die Treffen oft häufiger, um Abstimmungen zu treffen und sich auszutauschen.
Duzen oder Siezen sich die Leute dort?
Das hängt sicherlich von den Ortsverbänden und Mitgliedern ab. Bisher habe ich in allen OVs mitbekommen, dass der Großteil sich duzt.
4 Comments
Hmmm, OVs haben bei uns eigentlich nur SPD und CDU. Auf meiner Weihnachtsparty fragte einer von der JU den Fraktionsvorsitzenden der FDP wievielte OVs die den eigentlich haben und er hat zuerst die Frage nicht verstanden. Die wenigsten kleinen Parteien haben Gliederungen unterhalb der Kreisebene, zumindest in den Städten. Die haben oft nur lokale Stammtische.
Auch wenn ich politisch aktiv bin habe ich deine Erklärung nur bedingt verstanden.
Drölfzig Menschen auf Reservelisten machen Sinn wenn zig Leute keine Zeit haben, weil wieder einiges gleichzeitig passiert. Und bevor man Stimmen vergibt nimmt man lieber die Cousine des Nachbarns des mit. In der Hoffnung das die brav mit einem stimmt.
Schönes Wochenende
Steph
Hallo Steph,
Danke für deinen Beitrag. Du hast absolut recht, dass nicht überall die kleinste Stufe der Organisation der Ortsverband ist. Ich wohne in einer größeren Stadt, dort ist das wohl so. Ich ergänze diese Information sehr gerne für alle Leser, damit das etwas klarer wird.
Was hast du ansonsten nicht verstanden? Gerne probiere ich das generell anders zu formulieren. Da ich aber bisher nur einen Einblick in die Struktur unseres OVs gegeben habe, ohne politische Strukturen groß zu erläutern, sehe ich hier keine Problematik.
Und natürlich ist in der Politik viel „Vetternwirtschaft“ – oder VitaminB, wenn man es so nennen will. Aber das ist nicht zwangsläufig und überall so. Sollte ja auch eigentlich nicht so sein. Da muss ich meinen OV zum Beispiel sehr loben; alles läuft sehr demokratisch über Abstimmungen bei den OV Treffen ab und jeder, der will, hat eine Chance. Ich finde es eher schade, wenn es über Vetter und Cousinen läuft. Das kann ja nichts geben. 🤷♀️
Ich bin selber Vorsitzende eines Ortsverbandes in einer Großstadt im Ruhrgebiet.
Vermute mal wir sind in der gleichen Partei, denn das heißt bei der anderen großen Volkspartei Ortsverein.
Auch OV abgekürzt.
Ich habe mich über die Allgemeingültigkeit etwas gewundert.
Ich kenne viele OVs die sich wünschen würden es fände einmal im Monat ein Treffen statt. Viele bei uns haben nur 3-6x im Jahr was.
Als Mandatsträgerin wäre mir das auf der Ebene im Monat auch etwas viel.
Ich habe wöchentlich Fraktionssitzungen, ca alle 6 Wochen Frauenverband plus Stadtbezirksvorstand, Rats- und Ausschussitzungen. Dann sind da noch einige Repräsentationstermine, fast jedes Jahr Wahlkampf, Parteiveranstaltungen auf diversen Ebenen, etc. Ich habe selbst in den Ferien kaum eine Woche ohne Termine. Das ist kein Jammern. Es ist halt sehr zeitaufwändig politisch aktiv zu sein. Dafür ist mir nie langweilig.
PS: Das mit der Cousine des Nachbarns kam von dir.
Meine Familie ist nicht in der Partei zwangsverpflichtet.
Na, also in welcher Partei ich bin, ist jetzt Mutmaßung. ;)
Dass du in der Position einen straffen Zeitplan hast, kann ich mir denken. Umso schöner, dass es nicht überall gleich abläuft, sondern für jeden flexibel etwas geboten wird. Bei uns findet gerade in 2 Kalenderwochen hintereinander drei Termine statt. Einer davon ein Ausweichtermin am Wochenende. Ich habe deine Anmerkung aufgenommen und die Zeitangabe in „ca. einmal im Monat“ geändert.
Ah und da hast du mich falsch verstanden. Das war nicht auf Gemauschel bezogen mit der Cousine, sondern die Redewendung, die gerne genutzt wird wenn man Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehen kann. „Ich habe gehört die Cousine dritten Grades meines Nachbarn meiner Schwägerin aus zweiter Ehe…“. :D
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